Wer war Franz Karl Ginzkey?
Franz Karl Ginzkey war der Verfasser des Textes der Niederösterreichischen Landeshymne. Während der NS-Zeit war er NSDAP-Mitglied. Was soll das Land nun machen?
Im April 2023 wiesen österreichische Autorinnen und Autoren auf die NS-Vergangenheit des Verfassers der Niederösterreichischen Landeshymne, Franz Karl Ginzkey, hin. Sie forderten daher eine Neufassung des Textes. Das Nieder österreichische Landesarchiv wurde beauftragt, eine Historikerkommission unter Leitung von Stefan Karner einzusetzen. Nach intensiven Recherchen und Diskussionen legte die Kommission im Sommer 2023 einen umfangreichen Bericht vor, den das Landesarchiv auf seiner Website veröffentlichte. Im November 2023 wurde in St. Pölten auch ein Symposium zum Thema abgehalten.
Den überarbeiteten Kommissionsbericht hat das Landesarchiv zu einer Publikation zusammengefasst, in der es ausführliche Aufsätze zu Franz Karl Ginzkey (1871-1963) gibt, zu seinen literarischen Texten und zu seiner politischen Einstellung vor und während der NS-Zeit sowie in der Nachkriegsära. „Im Vergleich zu schriftstellerischen Raubtieren wie Céline oder Pound ist Ginzkey bestenfalls ein Chamäleon: allzeit anpassungsfähig und situationselastisch; Wirbelsäule statt Rückgrat“, so der Historiker Kurt Scholz, ehemaliger Präsident des Wiener Stadtschulrates.

Heidemarie Bachhofer und Roman Zehetmayer (Hg.), Bericht der Historikerkommission zur Aufarbeitung der Person Franz Karl Ginzkey und des Entstehungszusammenhangs der Niederösterreichischen Landeshymne. Eine Publikation des Niederösterreichischen Landesarchivs. 116 S., zahlr. Abb. und Fotos, 15 Euro. St. Pölten 2023.
Danielle Spera, Publizistin und frühere Direktorin des Jüdischen Museums Wien, über den Autor: „Eine aussagekräftige endgültige politische Bewertung der Person Ginzkey ist auf Grund der Fülle von Dokumenten derzeit schwer möglich, es besteht daher das dringende Erfordernis, sich noch eingehender mit dem ideologischen Opportunisten, der er unbestitten war, auseinanderzusetzen. Vom Kartographen zum Dichter mit jüdischem Freundeskreis, vom Freimaurer zum ‚Staatsrat‘ im ‚Ständestaat‘, vom NSDAP-Mitglied bis zum gefeierten Nachkriegsdichter reichten seine Rollendefinitionen.“
Ausführlich dokumentiert werden in dem Buch auch das Entstehen des Textes und die Geschichte der Landeshymne des größten der neun Bundesländer „Wir brauchen was, damit wir mehr gelten“: Hans Gruber, langjähriger Leiter des Niederösterreichischen Bildungs- und Heimatwerks, machte 1983 diese Äußerung, die der Zeithistoriker Stefan Eminger vom Niederösterreichischen Landesarchiv als Titel seines Aufsatzes wählte.
Am 15. November 1965, dem Landesfeiertag, fasste die Landesregierung den Beschluss, Ginzkeys Text „O Heimat, dich zu lieben“ zu einer Melodie von Ludwig van Beethoven zur Landeshymne zu machen. „Nennenswerte identitätsstiftende Bedeutung dürfte die Landeshymne zumindest bis zum Ende der 1980er Jahre nicht besessen haben. Ein Vergleich der Bundesländer 1988 zeigte, dass die Hymne von Niederösterreich neben jener von Salzburg im jeweiligen Bundesland am wenigsten bekannt war – nur 13 Prozent der Befragten vermochten sich an die ersten Worte der Hymne spontan zu erinnern“, schreibt Stefan Eminger.
Der Historiker Stefan Karner 58 Jahre nach der Entscheidung für eine Landeshymne: „Der Text der Niederösterreichischen Landeshymne ist kein Anlass für eine Adaption oder Neufassung. Er ist weder xenophob noch antisemitisch oder intolerant. Der berechtigt hohe moralische Anspruch, Hymnen als Repräsentationstexte sollten aus von heutiger Sicht untadeligen Autoren getextet sein, ist in der Praxis vermutlich auch nur sehr schwer umsetzbar. Zu stark haben sie die jeweilige Landesidentität bereits geprägt“, so Stefan Karner.